Viele Dritte Wege. Alternative Demokratiekonzepte der russischen Informellenbewegung in den Perestroika-Jahren
Schlagwörter:
Alternative Demokratiekonzepte, Sozialistische Ideengeschichte, Russland, Perestroika, Systemtransformation, Zivilgesellschaft, DemokratiebewegungZusammenfassung
Die sechs Jahre der sowjetischen Perestroika zwischen 1985 und 1991 stellen eine krisenhafte Umbruchszeit dar, in der der Wandel von Bevölkerung und politischer Elite bewusst erlebt und aktiv gestaltet wurde. In dieser speziellen Periode ermöglichte die Lockerung medialer und gesellschaftlicher Zensur die Entstehung informeller Organisationen, die sich in Form einer lautstarken Demokratiebewegung für diverse Systemalternativen einsetzten. Die Kritik am repressiven Staatssozialismus sowie am ungerechten Kapitalismus eröffnete den Blick auf viele Dritte Wege, die in einer Zeit rasanter öffentlicher Politisierung intensiv diskutiert wurden. Die Massendemonstrationen und propagierten Alternativen der russischen Informellenbewegung werden jedoch von Geschichtsschreibung und Sozialwissenschaften weitgehend ignoriert und sind so in Vergessenheit geraten. Der vorliegende Beitrag versucht diesem Vergessen entgegenzuwirken und die damaligen Ideen in aktuelle Diskussionen um eine Redemokratisierung der Demokratie bzw. um sozialistische Systemalternativen einfließen zu lassen. So soll eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Demokratie und Sozialismus eingenommen werden. Nach einer historischen Einbettung des Forschungsgegenstandes werden die diversen Reformvorschläge und Alternativkonzeptionen dargestellt. Da es zu den Inhalten der russischen Informellenbewegung fast keine Literatur gibt, wurden sechzehn qualitative ExpertInneninterviews mit AktivistInnen verschiedenster ideologischer Richtungen in Moskau durchgeführt. Abschließend werden die besprochenen Ideen in den Kontext aktueller Krisen- und Alternativdiskussionen gestellt.
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